#1 Wer macht was? Warum wir in unseren Beziehungen mehr über Arbeit sprechen müssen
- Teresa
- vor 5 Tagen
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Am Tag der Arbeit feiern wir offiziell die lang erkämpften Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Eine Form der Arbeit bleibt dabei oft außen vor: die unbezahlte Arbeit – also all das, was im Privaten, oft im Hintergrund passiert, damit der Alltag funktioniert: einkaufen, kochen, Wäsche waschen, Kinder betreuen, Termine koordinieren, sich um Angehörige kümmern. Diese unbezahlte Arbeit ist unverzichtbar. Ohne sie wäre (bezahlte) Erwerbsarbeit überhaupt nicht möglich.
Ein zentraler Vorteil vom Leben in einer Partnerschaft ist, dass man nicht nur Kosten wie Miete, Strom und Internet teilen kann – sondern auch Arbeit: die bezahlte und die unbezahlte. Erwerbsarbeit ebenso wie Sorgearbeit. Denn auch diese Form der Arbeit braucht Zeit und Energie – und ist ein entscheidender Teil des gemeinsamen Lebens.
Das ist zumindest ein zentraler Grund, warum Alleinerziehende besonders stark von Armut betroffen sind: Sie tragen die volle unbezahlte Sorgearbeit allein und haben dadurch weniger Zeit für Erwerbsarbeit. Das Ergebnis: weniger Einkommen, weniger Ersparnisse und weniger finanzielle Flexibilität, um Krisen abzufedern oder überraschende Ausgaben zu bewältigen.
Aber auch wenn eine feste Beziehung faktisch hilfreich ist, um nicht unter Armut zu leiden, schützt sie nicht automatisch davor.
Warum?
1. Bis heute wird mehrheitlich nur bezahlte Arbeit als „echte Arbeit“ angesehen.
Der gesellschaftliche Umbruch hin zu mehr Wertschätzung von unbezahlter Sorgearbeit wurde zwar angestoßen, ist aber noch ganz am Anfang und lange nicht da, wo er sein müsste. Sorgearbeit wird vielfach noch als „Arbeit aus Liebe“ (siehe Gisela Bock, 1977) verstanden, ist dadurch heilig – und ihre „Ökonomisierung“ durch Bezifferung mit einem geldlichen Gegenwert kulturell nicht akzeptiert.
2. Es fehlt an echten Gesprächen und Verhandlungen über die Aufteilung von Arbeit und die Verwendung von Zeit für Arbeit in Familien und Paarbeziehungen.
Lange war die Arbeitsteilung klar: Er verdient Geld (= Erwerbsarbeit), sie hält Familie und Haushalt am Laufen (= unbezahlte Sorgearbeit).
Doch dieses Modell passt nicht mehr zu den Wünschen vieler moderner Menschen.
Mehr Frauen als je zuvor möchten auch beruflich durchstarten.
Mehr Männer als je zuvor wünschen sich Zeit mit ihren Kindern und in der Familie: Laut Väterreport 2023 sagen nur ein knappes Drittel der Väter, dass sie genug Zeit für ihre Familie und ihre Partnerin haben, ein knappes Viertel wünscht sich viel mehr Zeit für die Familie und 42 Prozent etwas mehr Zeit.
Das bedeutet: Die Aufteilung der Arbeit in Beziehungen, bezahlt und unbezahlt, muss heute ausgehandelt werden.
Wie viel Erwerbsarbeit ist notwendig – und wie viel möchten wir leisten?
Wie viel Sorgearbeit fällt an – und wer übernimmt was?
Wie viel gemeinsames Einkommen brauchen und möchten wir – und wie geben wir es aus?
Diese Gespräche finden in vielen Beziehungen gar nicht oder zu spät statt. Stattdessen dominiert gesellschaftspolitisch eine andere Diskussion: Wie bekommen wir mehr Frauen in Vollzeitjobs? (zuletzt z.B. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, siehe DIE ZEIT).
Diese gesellschaftspolitische Forderung blendet aus, dass die unbezahlte Care-Arbeit ja nicht einfach verschwindet. Sie muss weiterhin erledigt werden. Mehr Teilzeit für Männer fordert aber dafür niemand.
Und so leben immer mehr Paare – im Namen vermeintlicher Gleichberechtigung – das Modell der „doppelten Vollzeit“. Der Rest – Haushalt, Kinder, Pflege, mentale Last – kommt oben drauf.
Nur etwa vier Prozent entscheiden sich bewusst für doppelte Teilzeit – also ein Modell, das beiden Partnern Raum für Beruf und Familienleben lässt.
Kein Wunder, dass Überlastung und Erschöpfung zum neuen Normalzustand geworden sind.
3. Es fehlt an echter Wertschätzung und (auch finanziellem!) Ausgleich von unbezahlter Arbeit innerhalb von Paarbeziehungen.
Die Geringschätzung von unbezahlter Arbeit hat reale wirtschaftliche Folgen.
Der Gender Pension Gap zeigt das deutlich: Frauen haben aktuell im Alter rund 27% weniger Geld zur Verfügung als Männer. Das hat was mit den in der Regel stark von Sorgearbeit geprägten Biografien zu tun. Denn: Wer weniger erwerbstätig ist, hat weniger Geldeinkommen, bis zum Schluss. Auch, weil innerhalb der Beziehung oft nicht über eine faire ökonomische Kompensation der ungleichen Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit gesprochen und verhandelt wird.
Das Wichtigste: Das ist nicht "nur" ein Frauen-Problem!
Zwar übernehmen statistisch gesehen noch immer häufiger Frauen den größeren Teil der Sorgearbeit, aber auch (moderne) Männer sind betroffen, wenn ihre unbezahlte Arbeit nicht gesehen, nicht anerkannt und nicht kompensiert wird.
In der Regel steckt keine böse Absicht dahinter.
Es fehlt schlicht an Vorbildern, Sprache und Struktur dafür, wie man über solche Fragen spricht. Doch dass es „einfach noch nicht üblich“ ist, macht es nicht weniger dringlich – im Gegenteil.
Auch deshalb gibt es nun Paarity.
Weil eine moderne, faire Arbeitsteilung, die auf die echten (!) Bedürfnisse beider Partner eingeht, noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Weil gute Beziehungen nicht nur von Liebe leben – sondern auch von ökonomischer Gerechtigkeit und Augenhöhe.
Oder wie Teresa Bücker fordert:
„Wir [müssen] jetzt anfangen, die Frage nach dem Stellenwert der Erwerbsarbeit in unserem Leben und nach der gerechten Verteilung aller Arbeiten zu einem Gegenwartsprojekt [zu] machen.“ (Alle Zeit, S. 127)
Mit Paarity möchte ich Paaren helfen, diese fraglos nicht einfachen Gespräche zu führen – über Rollen, über Arbeit, über Wertschätzung und über Geld – und sie dabei unterstützen, Lösungen zu finden, die für beide passen: finanziell, emotional und ganz alltagspraktisch.
Ich bin gespannt auf die Reise und freue mich über Euer Interesse, Eure Gedanken, Euer Mitmachen und Mitentwickeln von Formaten und Methoden. Zum Beispiel bei einem der anstehenden "Basisseminare"? Oder einem "Money Mingle"?
Bis bald, herzlich
Teresa